Frankfurts Antwort auf die Docklands

Allen „Eingeplackten“, kurzfristigen Besuchern und auch Altfrankfurtern empfehle ich den folgenden Spaziergang am Rande der City. Start ist die Südseite (Sachsenhausen) der neuen Flößerbrücke, von wo aus der Weg oberhalb des neugestalteten Mainufers am ehemaligen Schlachthofgelände entlang führt. Hier entwickelt sich derzeit Frankfurt größtes städtebauliches Projekt, das Deutschherrnviertel. Aufgrund der Nachbarschaft zur Innenstadt (und wahrscheinlich auch infolge der Grundstückspreise) haben die Architekten eine hochverdichtete Bauweise mit sogenannten Solitären, d.h. achtstöckigen Wohnblocks, in unmittelbarer Nähe zum eigentlichen Ufer gewählt.

Solitäre am Mainufer des ehemaligen Schlachthofgeländes
Solitäre am Mainufer des ehemaligen Schlachthofgeländes

Jedes dieser bislang acht von Penthäusern gekrönten Gebäude (geplant sind insgesamt zwölf) hat eine andere Außengestaltung und Raumaufteilung. Von Backsteinfassaden über Glasfronten, Stahlskeletten, Kunststeinverkleidungen bis hin zu farbigem Beton – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die Außenflächen sind äußerst knapp bemessen, städtische Verhältnisse eben. Diese Tatsache, die teilweise vollständige Verglasung ohne jeglichen Sichtschutz und die hohen Preise der Immobilien sind nicht unbedingt jedermanns Wohngeschmack, aber zum Anschauen ist das Ganze schon unterhaltsam. Am westlichen Ende steht der Rohbau des Main Plaza, eines komplett mit Backsteinen verklinkerten Hochhauses im „New Yorker“ Stil. Neu daran ist vor allem das Wohnkonzept mit Rundum-Service: Wellness-Bereich, Rezeption, Reinigung und sonstigen Dienstleistungen aller Art – die betuchten Mieter sollen sich um nichts kümmern müssen, sondern die fabelhafte Aussicht auf die Skyline genießen. Gleich daneben steht das Colloseo, ein ovaler Bau mit Innenhof, welcher von der Form an sein berühmtes Vorbild in Rom erinnert. Natürlich finden hier keine Gladiatorenkämpfe statt, genauso wenig wie die völlig abgehobene Bezeichnung für das nächste Projekt, dessen Baugrube gerade ausgehoben wird, etwas mit dem mittelitalienischen Hochadel zu tun hätte: Palazzo Fiorentino... Ich kann mich noch an die letzten Hinweisschilder vor nicht einmal einem Jahr erinnern: „Trapezio Fiorentino“ stand da zu lesen. Hat sich bei den durchgeknallten Investoren wohl nicht so gut verkauft... Die endgültige Fertigstellung des Viertels wird sich wohl noch einige Jahre dahinziehen. Ein schlichter Häuserblock in klassischer fünfgeschossiger Großstadtbauweise steht allerdings schon.

Mainplaza und Colloseo
Mainplaza und Colloseo

Zurück zum Main. Am Ende des Deutschherrnviertels besteigt Ihr die gleichnamige Eisenbahnbrücke in Richtung nordmainisches Ufer. Ängstliche Zeitgenossen seien gewarnt: Die Stahlbrücke bebt bei durchfahrenden Zügen. Nirgendwo setzt sich die Kulisse der Wolkenkratzer mit den wenigen historischen Überbleibseln der Altstadt im Vordergrund wirkungsvoller und kontrastreicher in Szene, als von Osten aus. Diesen Aspekt hatte ich schon in meinem Beitrag „Skyline-Impressionen“ beschrieben. Der Blick von der Deutschherrnbrücke entzückt jedoch selbst den hartgesottensten Fotografen: Wuchtig wie eine Wand und maßstabsgerecht stehen sie fast alle einträchtig nebeneinander: Dresdner Bank, Messeturm, Commerzbank, „Soll und Haben“ (Deutschen Bank), Trianon, Eurotower, Kronenhaus (DG-Bank), FBC, MainTower (Helaba), Mariott-Hotel, Japan-Center, Eurotheum und ganz rechts der Ginnheimer Spargel (Fernmeldeturm). Davor der alterwürdige Dom, der ja nie einer war, und etliche Türme weiterer Kirchen. Auch der Blick zurück auf das neu entstandene bunte Viertel ist eine kleine Augenweide.

Skyline von der Deutschherrnbrücke gesehen
Skyline von der Deutschherrnbrücke gesehen


Die einzigartigen Baustilkontraste der Frankfurter City
Die einzigartigen Baustilkontraste der Frankfurter City

Am Ende der Brücke landet Ihr im Osthafengebiet und lauft links die Kopfsteinpflasterstraße entlang bis zum Beginn des neu angelegten Uferparks auf dem Gelände der alten Weseler Werft. Von einer Art Bastion aus massiven Basaltsteinen steigt man herab zum großzügig gestalteten Mainufer. Der Bereich wurde erst im Sommer 2000 freigegeben, daher sind die Anpflanzungen noch etwas mickrig. Der ungewohnte Ausblick nach Süden und Westen und die liebevoll restaurierten Ladekräne der Werft entschädigen jedoch vollends. Rechts verkehrt an Wochenenden die historische dampfbetriebene Hafenbahn auf einer Strecke vom Ost- zum Westhafen. Am Ende erreicht man mit der Flößerbrücke wieder den Ausgangspunkt der Begehung.

Neuer Mainuferpark auf der alten Weseler Werft
Neuer Mainuferpark auf der alten Weseler Werft

Auch wenn das beschriebene Gelände mit etwas gutem Willen zu Fuß erreichbar ist, hier noch ein paar Verkehrstipps: · Parkplatz Mainufer Sachsenhausen (bis 18.00 Uhr am Wochenende kostenlos!) · Fußweg zur S-Bahnstation Mühlberg (S1, S8, S9) ca. 10 Minuten · Straßenbahnhaltestelle Frankensteiner Platz (Linien 12, 14, Bus Nr. 46).
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