Titel

Vergessene Lokalitäten in und um Frankfurt herum

Vieles in unserem schönen Frankfurt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert – nicht immer zum Besten. Bei manchen Neuerungen fragen wir uns manchmal, was der Quatsch nur soll: Warum fangen alle städtischen Busnummern auf einmal mit M an? Wieso stellt man mir in einem Sandwich-Laden 23 Gegenfragen, obwohl ich doch klar erklärt habe, was auf die Stulle drauf soll? Warum singt die Stadionkurve auch beim unterirdischsten Grottenkick 90 Minuten lang durch? Woher zum Teufel kommt diese Hipsterfloskel „ich erinnere dies und das …"? Merkt eigentlich jemand, dass das sprachlicher Unsinn ist? Reflexive Verben haben wir doch alle in der Schule gelernt und keine dämlichen Amerikanismen …

Und wer kennt es nicht: Dieses Gefühl der Ungläubigkeit und Ohnmacht, wenn man wieder mal an einem Ort vorbeikommt, der früher ganz anders ausgesehen hat. Damals, als wir genau hier regelmäßig eines unserer Lieblingslokale in vertrauter Umgebung besuchten, noch die Zeit hatten, jede Woche ins Kino zu gehen und diese Gewohnheiten dann irgendwann einschliefen, weil sich Freunde und Zechkumpane im Laufe der Zeit unter fadenscheinigen Ausreden in alle Welt verstreuten oder man selbst den Schwerpunkt seines Daseins auf Familie und Erwerbstätigkeit verlagerte. Und jetzt stehen wir auf einmal vor verrammelten Eingängen, einem Rohbau oder schlimmer noch vor einem gähnenden Loch. Manche Institutionen wurden allerdings durch etwas völlig Neues und Prachtvolles mit vergleichbarer Funktion und Bedeutung ersetzt.

Die Zahl derer, welche seit den Achtziger Jahren die gleichen schmerzhaften Erfahrungen machen mussten wie der Schreiber dieser Zeilen, ist vermutlich unermesslich groß. Die psychische Pein der Selbstvorwürfe schreit geradezu nach Aufarbeitung in Form einer erstmaligen umfassenden Auflistung all der schönen und schrecklichen Lokalitäten mit all ihren Besonderheiten, die da waren und Anekdoten, die sich zugetragen haben, Hibbdebach und Dribbdebach, damit das, was uns einstmals so am Herzen lag, niemals in Vergessenheit gerät.

16: City-Music (Bahnhofsviertel, Hauptbahnhof B-Ebene)

Home of Electric Dreams

Wer heutzutage in der B-Ebene am Frankfurter Hauptbahnhof den Ausgang zur Kaiserstraße sucht, steht irgendwann vor durchgehenden Bauzäunen und wird mit Hilfe eines Wirrwarrs bunter Markierungen auf dem Boden in die oberirdische Fernbahnhalle geleitet. Ob die Deutsche Bahn als Initiator das Großprojekt Umbau Hauptbahnhof jemals zu unseren Lebzeiten zu Ende bringen wird, sei mal dahingestellt. In jedem Fall war es bis 2020 möglich, einfach in der Haupteingangshalle mit der Rolltreppe in die Tiefe zu fahren, um anschließend auf der anderen Seite wieder ans Tageslicht zu gelangen. Die vergangenen Jahrzehnte wahrlich kein Vergnügen, denn nach dem Weg durch die verwahrloste Verteilerebene landete man meist am Kaisersack in einer Traube laut gestikulierender Dealer und krakeelender Drogensüchtiger, die sich mit Bierflaschen und allerlei Zeugs in der Hand mehr schlecht als Recht auf den Beinen hielten. Handgreiflichkeiten, Verkehrsunfälle und das ganze Elend des krankhaften Konsums konnte man hautnah miterleben. Es ist kaum vorstellbar, dass auf diesem kurzen Abschnitt der Kaiserstraße bis zur Gallusanlage in den 80ern einmal mehrere Fachgeschäfte für Unterhaltungselektronik und Schallplatten (Radio Diehl, Main Radio) ihr zu Hause hatten. Und wer dem Straßenverlauf noch weiter bis zur Hauptwache folgte, stieß auf ein wahres Schlaraffenland des Vinyls: Phonohaus und Marions Schallplatten-Boutique (!) am Rossmarkt, Ralphs Records und Montanus in der B-Ebene. Der Einzelhandel brummte, denn die Drogenszene konzentrierte sich zu der Zeit in der Taunusanlage.

City-Music
Originaltüte City-Music

Das wahre Paradies lag aber bereits am Anfang in der B-Ebene links vor den Rolltreppen zur Kaiserstraße: Der legendäre City-Music. Das relativ kleine Geschäft war seit 1982 der Arbeitgeber von Andreas Tomalla, besser bekannt als DJ und Produzent Talla 2XLC, der hier nicht nur elektronische Musik auf Vinyl verkaufte, sondern auch auflegte und nach seiner eigenen Vorstellung erstmalig als Techno kategorisierte, ein Begriff der später Weltruhm erlangen sollte. Ich kannte zu dieser Zeit europäische elektronische Musik gerade mal aus dem umfangreichen Synthiepop-Repertoire der Bockenheimer Music-Hall. Jenes konnte man auch bei City-Music kaufen, aber was hier über die Lautsprecher lief, war meist nochmal eine Nummer härter, schneller und konsequenter. Ein paar einzelne Maxis schafften es tatsächlich in meine Sammlung, jedoch interessierten mich als notorischen Black-Music-Anhänger eher die neuesten Erscheinungen des damals in großen Wellen nach Deutschland und Europa herüberschwappenden amerikanischen Hip-Hops. Dieser war zu der Zeit ebenfalls vom Einfluss neuer elektronischer Möglichkeiten der Klangerzeugung geprägt, was wiederum hervorragend mit dem Electric Boogie, einem speziellen Stil des angesagten Break Dance, harmonierte.

Der amerikanische Electro Funk mit Rap-Elementen hatte dabei die gleiche historische Inspirationsquelle wie der europäische Electro und der später aus der Fusion unterschiedlicher House Styles zu einem weltweiten Phänomen avancierende Techno: Die deutschen Pioniere der Band Kraftwerk. Was waren das für unglaubliche Koryphäen: Ich kann mich noch erinnern, wie der Moderator der damaligen AFN-Show 'Soul Rotation' geradewegs in Verzückung geriet, als er deren 1981er Hit 'Nummern (Numbers)' ansagen durfte – ein Stück, so epochal anders und technisch weit voraus, dazu auch noch von 'Krauts' produziert, dass es ein Jahr später zur Grundlage von Afrika Bambaataas 'Planet Rock', der allgemein akzeptierten Blaupause des Electro Funk wurde.

Streetsounds Electro Vol. 1
Streetsounds Electro Vol. 1

Mit dem Siegeszug der digitalen Tonträger und Plattformen und dem Niedergang des Vinyls verschwanden nach und nach die alten Plattenläden und somit auch City-Music aus den zentralen Lagen. Inzwischen hat sich eine kleine, aber eingeschworene Fangemeinde auf die analogen Scheiben zurückbesonnen. Der Handel von Neu- und Second-Hand-Ware läuft über eine Reihe von spezialisierten Geschäften meist jenseits der üblichen Einkaufsstraßen.

15: Altes Waldstadion (Sachsenhausen, Mörfelder Landstraße 463)

Verloren im weiten Rund

Gegengerade 1989
Gegengerade 1989

Bereits nach dem letzten Spieltag der Saison 2001/02 hatte man damit begonnen, die mehr oder weniger aus Erdhügeln bestehenden Stehränge der West- und Ostkurven abzutragen. Diese stammten noch aus den Tagen des ersten Waldstadions, welches 1925 anlässlich der 1. Internationalen Arbeiterolympiade als zu diesem Zeitpunkt größte deutsche Sportstätte eingeweiht wurde. In den Jahrzehnten danach wurde die Arena mehrfach erweitert und erreichte mit einem Fassungsvermögen von fast 90.000 Plätzen in den 50er Jahren ihren Höhepunkt – allerdings waren dies überwiegend Stehränge. Den wohl ewigen Besucherrekord hält übrigens mit 81.000 das Gruppenspiel der Oberliga Süd gegen den FK Pirmasens am 23. Mai 1959. Die letzte, noch offiziell als Waldstadion bezeichnete Betonarena entstand anlässlich der WM 1974 in Deutschland nach den damals allgemein üblichen Anforderungen, d.h. mit Leichtathletiklaufbahn und teilweiser Überdachung der Sitzplätze. Die Gegengerade bekam ein durchgehendes Dach und die Haupttribüne wurde komplett neu errichtet. Wer erinnert sich nicht an die legendäre Regenschlacht gegen Polen, als der Rasen die Sturzbäche nicht mehr fassen konnte und man Stunden vor dem Spiel und in der Halbzeit versuchte, mit riesigen Trommelwalzen das überschüssige Wasser abzutragen. 1988 kamen anlässlich der unerwartet an den DFB vergebenen Fußballeuropameisterschaft eilends eine Videoanzeigetafel und mehrere VIP- und Funktionsräume hinzu. Das Fassungsvermögen belief sich zum Schluss auf 61.000 (davon rund 30.000 Sitzplätze). Klingt imposant, ist aber bei internationalen Begegnungen ohne Belang, denn da sind Stehplätze inzwischen längst verboten.

Stadionkarte
Eintrittskarte Saison 88/89

Das Waldstadion war Austragungsort für zahlreiche herausragende Ereignisse: Ein legendärer WM-Kampf von Karl Mildenberger gegen Muhammad Ali, Livekonzerte von Madonna, Michael Jackson oder Prince vor über 60.000 Fans, WM- und EM-Länderspiele, Leichtathletikeuropacups und Kirchentage. Aber auch das American-Football-Team Galaxy, Frankfurts Vertreter im anfangs hochtrabend 'World League' getauften Ableger der NFL, hatte hier seine Spielstätte und pflegte bereits Stunden vor dem eigentlichen Match mit einer durch und durch amerikanischen Power Party auf dem Vorfeld des Stadions seine Fans anzuheizen. Galaxy hält mit unglaublichen 58.572 Besuchern bis heute den Rekord in der später zur NFL Europe mutierten Miniliga außerhalb des Mutterlandes dieser nicht gerade globalen Sportart.

Auch um die eigentliche Betonschüssel herum wurden einige Sportstätten konzentriert. Dazu gehören die inzwischen abgerissene Radrennbahn, Schauplatz legendärer Sechstage- und Steherrennen, eine Tennisanlage, welche jüngst dem geplanten ProfiCamp der Eintracht weichen musste und das in den 90er Jahren renovierte Stadion-Freibad, dessen Jugendstilarchitektur bis heute erkennbar geblieben ist.

Mit der sukzessiven Niederlegung der Tribünen ab 2002 im laufenden Spielbetrieb begann eine neue Ära an diesem altehrwürdigen Ort. Die moderne Fußballvermarktung brach mit der Eröffnung der völlig neu erbauten Arena 2005 und spätestens mit der WM im darauffolgenden Jahr über Frankfurt herein: Über zwei Spielzeiten hinweg verdoppelten sich die Zuschauerzahlen und liegen seitdem bis auf ein Ausnahmejahr in der 2. Liga konstant bei über 90% des Fassungsvermögens. Seitdem geht keiner mehr spontan an einem Samstagnachmittag in seine Kurve, denn es gibt an der Tageskasse keine Karten mehr. „Ist zwar nur der MSV, aber heute scheint die Sonne!“ sagte ich mir früher, setzte mich in die Tram, fuhr bis vor das Eingangstor und orderte für DM 3 (!), später DM 5 einmal Jugend Block H an einem der Kassenhäuschen. „Schülerausweis!“ schallte es entgegen. „Hab isch grad nett, awwer den von de Stadtbüscherei!“ „Ausnahmsweise!“ Und dann hatte man den Lappen – jawohl, eine echte Eintrittskarte, kein Homeprint – und machte schon mal vorsorglich einen Knick in die obere Ecke, damit der Typ an der Eingangskontrolle die untere zerrupfen konnte, der Depp!

Abriss
Abriss Haupttribüne und Rohbau Ostkurve (10.8.2003)

Das aller Wahrscheinlichkeit nach eher durchwachsene Spiel ließ sich auf den Stehreihen in der Sonne sitzend ganz gut ertragen. Ab und an schwappte das Getöse im überfüllten G-Block in den meist zu einem Drittel gefüllten H herüber und man rief dreimal laut „Eintracht!“. Dann war es aber auch wieder gut mit der Aufregung, denn damals hatten wir noch keine Ultra-Szene mit Dauergesängen, dafür aber jede Menge kompromisslose Hardcore-Fans mit krassen Aufnähern auf den Kutten. Eine kleine Naziszene gab es damals wie in vielen anderen Bundesligastadien leider auch. Die unsäglichen Urwaldrufe hörten aber erst auf, als Yeboah und Okocha in den 90ern demonstrierten, über welch vollendete Technik afrikanische Fußballer verfügten. Die Unterstützung von den Rängen orientierte sich in der Regel am Spielgeschehen und ging dann auch mal von den Sitzplätzen der alten Recken auf der Gegengerade aus. Übel wurde es bei miesem Wetter: Die unüberdachten Erdwälle, heute in Resten hinter den Nordwest- und Südostkurven gelegen und zu einem Pissoir der Fans verkommen, boten nicht den geringsten Schutz. Wenn die Verantwortlichen der Eintracht einen sozialen Tag hatten, dann wurde bei Wolkenbrüchen die Gegengerade für die armen Steher geöffnet – sofern es dort noch ausreichend Sitzplätze gab. Gegen den Eiswind im Winter war aber kein Kraut gewachsen. Die enorme Entfernung zum Spielgeschehen erwies sich schließlich als Krönung des mangelnden Komforts. Gegenstände auf dem Rasen waren daher früher kein Thema, denn die landeten meist auf der Laufbahn. Einmal im Jahr gegen die Bayern war das große Rund restlos ausverkauft. Damals konnte man sich relativ sicher sein, dass die Großkopferten aus dem Süden trotz zahlenmäßiger Überlegenheit ihrer Fans regelmäßig von der SGE eine Abreibung bekamen. Das trieb dann sogar besonders Schlaue auf die Bäume hinter der Stehkurve, denn es gab fußballerische Glanzstücke und epochale Demütigungen zu sehen.

Fußballspiele im neuen Stadion, genau genommen dem vierten an dieser Stelle (das zweite mit den verwitterten Holzbänken hat der Verfasser tatsächlich noch selbst erlebt), sind zu einem großen Event geworden. Das permanente Spektakel auf den immer randvollen Rängen, mit lautstarkem Support und aufwendigen Choreografien geht aber auch mit dem Verlust der Spontanität und aufgrund des wirtschaftlichen Gefälles in der Liga mit einer frustrierenden Berechenbarkeit der Ergebnisse einher. Eine Rekordzahl von Dauerkarteninhabern, Logenmietern und Business-Seats sowie eine früher kaum für möglich gehaltene TV-Vermarktung sorgen für sprudelnde Einnahmen. Die vorhersehbaren Pleiten der Eintracht gegen berüchtigte Angstgegner gehören mittlerweile der Vergangenheit an, denn Bochum (in den 80igern mit 4 mal 0:1 und 4 mal Unentschieden nahezu unbesiegbar!) ist in den Niederungen verschwunden, während Hertha BSC aber bis heute eine harte Nuss für die Eintracht geblieben ist. Auf dem Heimweg verzweifelnde Kuttenträger („Scheiße hiär, immer gesche Bochum!“) aus dem G-Block haben den Ultras in der Nordwestkurve Platz gemacht, welche sich nicht nur selbst feiern, sondern auch die eigene Mannschaft nach Niederlagen aus Prinzip immer wieder aufbauen, anstatt sie auszupfeifen.

Nur noch wenig erinnert auf diesem Gelände an die alte Arena und doch halten die überzeugten Anhänger der Eintracht trotz Verkaufs der Namensrechte bis heute konsequent am überlieferten 'Waldstadion' fest.

14: Gorjel Schwenker (Alt-Sachsenhausen, Kleine Rittergasse 19)

Gorjel Schwenker
'Gorjel Schwenker' im Juli 2015

Eine der traditionsreichsten Kneipen Alt-Sachsenhausens ist zwar schon seit einigen Jahren geschlossen, jedoch ist das urige Häuschen mit seinen auskragenden Stockwerken gerade so dem derzeit um sich greifenden Verfall der Bausubstanz im alten Kneipenviertel entgangen und geht dieser Tage einer neuen Nutzung entgegen.

Der kleine Bau im historischen Stil in der Kleinen Rittergasse 19 stammt, man glaubt es kaum, aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und soll zukünftig unter dem Label Dough House Räume für Gastronomie und Ausstellungen bieten. Noch vor nicht all zu langer Zeit gab es ernsthafte Pläne, das Gebäude abzureißen und durch einen schauderhaften Betonneubau mit blödsinniger Mosaikfassade zu ersetzen. Die blau-weiß-schwarze Farbgebung sollte einen wie auch immer gearteten Bezug zu einem Bembel und somit zum zu beherbergenden Apfelweinmuseum herstellen. Zum Glück siegte dann doch die Vernunft über den Irrsinn.

Noch in den 80er Jahren ging es hier ganz anders zur Sache: Über eine enge Holztreppe gelangte man zu den verschiedenen Ebenen dieser einzigartig kitschigen und geradezu kriminell verrauchten Kneipe. Wie oft wir diese steilen Stiegen hinaufgehechelt sind, um dann im Dachgeschoss feststellen zu müssen, dass wirklich keine Sau mehr reinpasste, weiß ich nicht. Ich kann mich noch an die seltenen erfolgreichen Fälle erinnern und welche Kraftakte erforderlich waren, um in diesem meistens überfüllten Laden gegen das Inferno aus lautem Palaver und kreischendem Hardrock Kontakt zu einer der raren Servicekräfte herzustellen. Das hieß natürlich noch lange nicht, dass in den nächsten 10 Minuten auch tatsächlich auch nur eine der zahlreichen Biersorten den Weg zu uns fand. Derweil war man in die leicht erhöhten Sitznischen gezwängt und begutachtete sprachlos den Altar und die goldenen Kirchenlampen.

Beinahe untrennbar mit der abendlichen Route über 'Connemara' und 'Gorjel Schwenker' war ein Abstecher in den benachbarten 'Irish Pub' verbunden, damals einer der ersten seiner Art mit Guiness im Ausschank in Frankfurt. Um die Jahrtausendwende ist dieser Hort irischer Kneipenkultur zum Leidwesen seiner zahlreichen anglo-amerikanischen Gäste leider abgebrannt.

Zuletzt war der 'Gorjel Schwenker' die Stammkneipe der Frankfurter Ultras.

13: Zur Eulenburg (Bornheim, Garten, Eulengasse 46)

Das Ende einer Hochburg

Sommergarten
Ehemaliger Sommergarten

Eulenburg
'Eulenburg' im Mai 2008

Die Berjer Straß' enuff zu dabbe und irgendwann in eines der Traditionshäuser einzufallen war lange Zeit unsere liebste Tour im lustigen Dorf. Während jedoch 'Solzer' und 'Sonne' quasi auf dem Weg lagen, wurde das Auffinden der 'Eulenburg' im Gassenwirrwarr stets zu einer neuen Herausforderung. Hier war der aale Bernemer gern unter sich – Auswärtige oder gar Touristen verirrten sich kaum hierher. Wurde ihr vielleicht dieser Umstand zum Verhängnis? In jedem Fall durfte diese Kneipe bis zum Schluss als Geheimtipp gehandelt werden. Beinharte Bedienung, gnadenlose Scherze auf Kosten der gerade gegangenen Tischnachbarn, jenseits jeglicher Political Correctness: "Kerlle naa, die Neescherweiwer hawwe awwer aach Ärsch!" Knappe Speisekarte und eine auf das Wesentliche, den Schoppen, beschränkte Getränkekarte – so musste es sein! Während die zentral gelegenen Alt-Sachsenhäuser Wirte schon vor Jahren begannen, sich den Geschmäckern ihres mehr und mehr jüngeren und internationaleren Publikums anzupassen, Bier auschenkten oder gar Gabeln zum Handkäs' reichten, herrschte in der 'Eulenburg' bis zum Ende stoische Ordnung und gepflegte Knoddrigkeit. Den stets mürrischen und aus unerfindlichen Gründen gerade nicht abkömmlichen Kellner zur Bestellung zu bewegen war ein beinahe hoffnungsloses Unterfangen. Sollte man es gewagt haben, zuerst die Initiative zu ergreifen, bewahrte einen selbst ein nahezu leerer Gastraum nicht vor dem verdienten Anschiss: "En Aacheblick e'ma, habt er's widder eilisch odder was?"

Die gesundheitliche Verfassung von Vater Dirk war der Auslöser für das Aus unter den Wirtsleuten Henze. Betrachtet man jedoch die angespannte wirtschaftliche Lage in der Szene der traditionellen Ebbelwoiwerdschaften, dann dürfte auch die vergebliche Suche nach einem Nachfolger mit ausschlaggebend gewesen sein. Im Gegensatz zur 'Eulenburg' war das 'Weida im blauen Bock' erfolgreich und hat im selben Jahr gerade noch einmal die Kurve gekriegt.

Umbau
'Eulenburg' nach dem Umbau

12: Village Club (Hanau-Innenstadt, Grimm-Center, Kurt-Blaum-Platz 8)

Little Chicago im Einkaufszentrum

Ein richtig edler Club mit feinster Black Music, besucht von überwiegend schwarzen GIs der örtlichen US-Streitkräfte – das war das 'Village' im Betonungetüm Grimm-Center mitten in der Hanauer Innenstadt. Eine Etage tiefer tobte die Rollschuhdisco 'Palladium', ebenfalls ein Relikt der 70er und 80er Jahre und von den Roller Skates begeisterten Amis am Leben gehalten. Zu Hochzeiten war dies aufgrund der gleichen Zielgruppe eine ernsthafte Konkurrenz zum 'Funkadelic' in Frankfurt, unterschied sich aber klar durch Innendesign und Kleiderordnung. Während in der Brönnerstraße jeder kommen konnte wie er wollte und es im Gewölbekeller eng und stickig war, war im Grimm-Center Anzug, Krawatte und Abendkleid angesagt, standen Plüsch-Sofas und hingen edle Spiegel und Lüster an der Wand. Das ganze hatte etwas vom Gangster-Look der 30er Jahre, jedoch ging es hier im Gegensatz dazu ausnahmslos friedlich zu.

Als Ende der 80er die House Music aus Chicago hier rüberschwappte, sorgte dies für hysterische Szenen auf der kleinen Tanzfläche dieses sonst so gediegenen Ambientes. Regelmäßig mußte der DJ ein donnerndes "Don't jump!" ins Mikro plärren, da die Jungs vor Ekstase nicht mehr wußten, wohin mit ihrer Energie und die gemäßigten Clubgänger sich an den Rand des Dancefloors duckten.

Mittlerweile (2004) wurde das aus den frühen 80er Jahren stammende, zeitweise leer stehende Einkaufszentrum revitalisiert, d.h. komplett umgebaut, mit neuer schicker Fassade aus Glas und dunklem Stein versehen und in City Center umbenannt.

Im Hanauer Hafen versuchte sich 2006 noch einmal ein 'Danceclub Village' im angeschlossenen 'Skatetown', Deutschlands größter Rollschuhdiskothek, musste jedoch bereits zwei Jahre später in Folge des gewaltigen Andrangs wieder schließen ... Aufgrund der Namensähnlichkeit und des nahezu identischen Konzepts wie im Grimm-Center gehe ich mal davon aus, dass es die selben Betreiber waren.

11: Chi-Chi's (Hanau-Lamboy, Chemnitzer Straße 22)

Als Tex-Mex zu uns kam

Es gab einmal eine Zeit, da galt Hanau als Garnisonsstadt. Neben dem Stadtteil Wolfgang war es vor allem Lamboy, in dem sich entlang einer Ausfallstraße alte Klinkerkasernengebäude aus der Kaiserzeit erhalten hatten. Ganze Viertel waren für Einheimische weitgehend unzugänglich, da von der US-Armee zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Eine rühmliche Ausnahme bildete da das Restaurant der Tex-Mex-Kette 'Chi-Chi's'. Hier waren auch wir Deutschen willkommen, allerdings nur, wenn wir Dollars dabei hatten und bitteschön brav in Englisch bestellten.

Aber genau dieser Umstand machte das Lokal so interessant: Das durch und durch amerikanische Ambiente mitsamt dem üblichen Ritus, kaum dass man zur Tür reinkam ("How many persons? Smoker or non-smoker? Please wait to be seated ..."). Derweil hatte man Gelegenheit, sich an der Bar mit den köstlichen Margaritas zu vergnügen. Für Unkundige: Auch wenn das nach netten Damen des Hauses klingt, die sich um die wartenden Gäste kümmern, waren das nur famose Erdbeercocktails.

Irgendwann wurde man von den stets überfreundlichen und damals fast ausschließlich amerikanischen Bedienungen in Empfang genommen. Diese stellten sich erstmal persönlich vor, bevor sie einem zum Tisch geleiteten und hatten schon vor über zwanzig Jahren klobige Geräte umhängen, in die man umständlich Bestellungen eintippen konnte. Ich glaube, alle Restbestände von damals wurden mittlerweile an die Hilfspolizei zum Knöllchen schreiben weiter verramscht ...

Lange vor dem Siegeszug der mexikanischen Küche, oder was man hier zu Lande dafür hält, genossen wir hier Nachos und Fajitas, Enchiladas und Sour Creme, Tacos und Guacamole. Und nicht zu vergessen den Gipfel der Peinlichkeit am Nachbartisch, wenn mal wieder einer Geburtstag hatte, von seinen Freunden hierher verschleppt wurde, nicht wusste, was im 'Chi-Chi's' an einem solchen Tag der Brauch war und im Boden versank, nachdem er einen riesigen Sombrero aufgesetzt bekam und das gesamte Personal aus Küche und Service als Mexikaner verkleidet um in herum versammelt ein Ständchen sang ... Eine weitere amerikanische Besonderheit, die wir Europäer eher als Unsitte empfanden, war die Regelung, dem Gast umgehend die Rechnung unter die Nase zu halten, sobald dieser keinen Nachschub mehr orderte. Dass damit eine baldige Zahlung und das Verlassen des Lokals erwartet wurde, damit nachfolgende Gruppen platziert werden konnten, versteht sich von selbst. Also tat man gut daran, immer einen unübersehbaren Rest im Glas stehen zu lassen.

Die Nachos gab es hier übrigens schon damals zum Mitnehmen in großen Blecheimern für zu Hause vor dem Fernseher – lange bevor irgendein deutscher Supermarkt das Maiszeugs in Tüten im Regal hatte.

Auch in Hanau leitete der großräumige Abzug der US Army aus dem Rhein-Main-Gebiet den Niedergang ein. Bereits 2003 musste der Mutterkonzern die Segel streichen, als verseuchte Schalotten in einem Restaurant in Pennsylvania zum Ausbruch der größten Hepatitis A-Epidemie in der amerikanischen Geschichte führten. Nachdem das umliegende Kasernengelände geräumt war, behielten die Betreiber noch einige Jahre den amerikanischen Charakter und den Namen bei. Das mangels Angebot inzwischen zu deutschen Muttersprachlern gewordene Personal musste weiterhin umständlich Englisch palavern, verstand aber nur die Hälfte und das ganze Drumherum blieb unverändert – bezahlt wurde aber nun in harten Euros. Aus 'Chi-Chi's' wurde 'Pancho Villa's', doch schon bald ließ dort der Service deutlich nach, was dann Ende 2008 unweigerlich zur Schließung führte.

10: Royal (Innenstadt, Schäfergasse 10)

Das letzte seiner Art

Schon der Name klang majestätisch. Und in der Tat war das Royal der letzte der großen Frankfurter Kinopaläste aus den 50er Jahren, den man noch nicht zu einem entwürdigenden Schachtelcenter verbaut hatte. Gegründet 1957 unter dem Hollywood-Markennamen MGM (Metro Goldwyn Meyer), bis zuletzt eingraviert in den Scheiben der Eingangstüren, blickte das Royal auf eine unendliche Reihe großartiger Premierenereignisse der Filmgeschichte zurück. Schon mein Vater berichtete mir mit leuchtenden Augen von den deutschen Uraufführungen solcher Klassiker wie 'Ben Hur' oder '2001 – Odyssee im Weltraum', als die Fans bis auf die Zeil in Schlangen nach Karten anstanden, um das legendäre Wagenrennen zu sehen oder sich drei Stunden lang mit Johann Strauß berieseln zu lassen. Auf Wochen hinaus waren damals die Vorstellungen ausverkauft. Ähnliche Erlebnisse hatte ich während meiner Jugendzeit beim Start des ersten Teils der 'Star Wars'-Trilogie und später noch einmal anlässlich des Megahypes um 'Jurassic Park'.

Unvergesslich geblieben sind die qualvolle Enge im überfüllten Foyer, welche manche Glastür zu Bruch gehen ließ und die Jubelorgien, als die ersten Zuschauer eingelassen wurden, um auf den gigantischen Balkon oder in die weitausladenden Reihen des vollständig in purpurrot gehaltenen Parketts zu strömen, als ginge es um Leben und Tod. Unvergesslich auch das erhabene Gefühl, wenn man sich in einen der federnden Schaukelsitze mit weit ausgestreckten Beinen fallen ließ und fasziniert beobachten konnte, wie sich die Masse in Windeseile auf die über 700 Plätze verteilte. Bis zur Eröffnung der ersten Multiplexe in den 90ern war alles im Royal um einige Nummern größer als im Durchschnittskino: Die breite Eingangsfront, das geräumige Foyer, die ellenlange Bar, der tribünenartige Balkon, welcher allein manch anderes Innenstadtkino beherbergen konnte, der in drei Parkettbereiche gegliederte Hauptsaal, die mehr als großzügig angeordneten Sitzreihen, die monumentale Leinwand und zu guter letzt die fantastische Soundanlage. Heiß begehrt waren die Plätze auf der Empore, welche jedoch für meinen Geschmack nicht die optimale Sicht boten: Man saß zu weit weg und die Krümmungen der geschwungenen Leinwand wurden extrem. Der Genießer setzte sich in den mittleren bis hinteren Parkettbereich. Irrsinnige Filmfanatiker so wie ich wählten die vorderen Reihen: Das Bild nahm dann das gesamte menschliche Sichtfeld ein, Kino total! In den fast 50 Jahren seines Bestehens wurden im Royal diverse Erneuerungen der Technik, der Sitzbezüge und des Teppichbodens durchgeführt. An der Grundausstattung hatte sich jedoch so gut wie nichts verändert.

Der größte Moment war stets der Beginn des Hauptfilms: Nach unendlich langer Filmmusik zur Einstimmung wurde das Licht langsam herunter gedimmt, der Eisverkäufer näherte sich auf dem Balkon dem Ausgang, der Vorhang öffnete sich ... weiter und weiter und weiter ... Wahnsinn, die vorher schon übergroße Leinwand ging auf einmal um die Ecke ... abgefahren! Unter infernalischen Fanfaren und mit Riesenlettern, die in den Tiefen des Alls verschwanden, wurde die dramatische Vorgeschichte der Rebellion gegen das Imperium erzählt. Danach Totenstille, ein Kameraschwenk, martialische Musik untermalte das donnernde Getöse der Triebwerke (keiner wäre damals auf die Idee gekommen nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten im All zu fragen), am unteren Bildrand schob sich ein gigantischer Sternenkreuzer scheinbar minutenlang über die Leinwand, der Saal bebte! Das war es!

Für das große Popcornkino wurden Häuser wie das Royal gebaut. Kleine, anspruchsvolle Filme hatten hier nie eine Chance. Die wenigen Zuschauer hätten sich im Saal verloren. Zuerst die Monumentalschinken der 50er, dann die Katastrophenreißer und Weltraumopern der 70er, in den 80ern die kurze Barbarenära mit dem unerreichten 'Conan' und vielen miserablen Nachahmern, die Abenteuer von 'Indiana Jones', zum Schluss die High-Tech-Knaller um 'Mission Impossible' und 'Matrix' – das Royal setzte immer auf sein Massenpublikum, denn anders war ein Theater dieser Größe nicht zu finanzieren. Kein anderes Haus in Frankfurt und Umgebung war bis zum Bau des ersten Multiplexes in Sulzbach in der Lage, Filme im 70mm-Überbreiteformat verlustfrei vorzuführen. Auch ein so durchgeknalltes Effektverfahren wie Sensurround habe ich nur dort erlebt: Die im Zuge der Star-Wars-Hysterie entstandene eher mittelmäßige Fernsehserie 'Kampfstern Galactica' hatte man für das Kino zusammengeschnitten und damit aufgemotzt. Das Ergebnis: Wackelnde Sitze, Herzrasen, Tinitus in den Ohren und wahrscheinlich einige Frühgeburten. Damals für das Katastrophenepos 'Erdbeben' (1975) entwickelt, wurde dieses Verfahren nur bei sehr wenigen Filmen (u.a. 'Achterbahn') eingesetzt.

Die Preise lagen im Royal schon immer um 1-2 DM über dem Durchschnitt, was ich jedoch aufgrund der gebotenen Qualität gerne bezahlt habe. Eine zentralere Lage als zwischen Haupt- und Konstablerwache auf einer Seitenstraße der Zeil gab es kaum. In unmittelbarer Nähe verkehren neben einigen Straßenbahnen und Bussen alle U- und S-Bahnlinien Frankfurts. Der zentrale Knotenpunkt für die vor Sams-, Sonn- und Feiertagen verkehrenden Nachtbusse lag an der Konstablerwache. Für wild parkende Autofahrer hagelte es meist Strafzettel.

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Nach einigen Gerüchten um eine bevorstehende Schließung wegen Unrentabilität und fehlender Umbaumöglichkeiten kam 2003 tatsächlich das Aus für den letzten Frankfurter Filmpalast. Danach nutzte das 'Café Royal' die Räumlichkeiten für Kulturveranstaltungen und Events, ehe 2007 aufgrund der maroden Bausubstanz der endgültige Abriß verkündet wurde.

Rohbau Wohn- und Geschäftskomplex (Schäfergasse 10)

Hier finden sich noch Bilder vom alten Gebäude:
Deutsches Architekturforum, ALLEKINOS.COM

9: Open-Air-Kino am Main (Sachsenhausen, Schaumainkai)

Die wahren Erfinder des Public Viewing

Die 80er Jahre waren auch insofern bemerkenswert, da viele Vergnügungen wenig oder gar nichts kosteten. Eines der brillantesten Events, welches sich ins kollektive Gedächtnis der Frankfurter eingebrannt haben dürfte, fand direkt auf der Wiese des Sachsenhäuser Mainufers vor dem Filmmuseum statt. Beim Kommunalen Kino hatte man die Idee, sein Programm in den warmen Sommermonaten einfach im Freien stattfinden zu lassen und baute daher aus Stahlrohren eine mächtige Leinwand vor die Untermainbrücke. Vermutlich war der Aufwand zu groß, alles einzuzäunen, um Eintritt zu verlangen. Also liefen alte Klassiker der Filmgeschichte aus den Archiven dieser städtischen Kultureinrichtung zum Nulltarif. Das hatte Folgen ...

Bei gutem Wetter lümmelten sich zweimal die Woche – Mittwochs und Samstags – bis zu 2000 Filmenthusiasten im langgezogenen Wiesenabschnitt auf mitgebrachten Picknickdecken, Isomatten und Liegestühlen. Da man gut beraten war, schon frühzeitig seinen Platz zu ergattern, entwickelten sich die Stunden vor Einbruch der Dunkelheit und vor Beginn des Films zu regelrechten Happenings mit Bier, Wein, Sekt und Champagner zu teils üppigstem kaltem Büffet. Wenn es dann endlich los ging, war das Publikum schon dermaßen angeheitert, dass im Grunde genommen jeder Schinken mit Begeisterung und Szenenapplaus bedacht wurde. Es liefen solche Streifen wie 'Metropolis', 'Manche mögen's heiß', 'The Girl can't help it', 'Der rote Korsar' oder 'Casablanca'.

Mit der Zeit erkannte man auch bei der Konkurrenz das Potential von Freiluftveranstaltungen dieser Art und es kamen erste kostenpflichtige Aufführungen auf dem Uni-Gelände dazu. Zum Glück hat sich bis heute die Tradition des Open-Air-Kinos im Brentanobad erhalten. Inzwischen laufen auch aktuelle Filme, man sitzt zum Teil auf Tribünen und Speisen- und Getränkeverkauf runden das kommerzielle Angebot ab.

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Das Mainufer vor dem Filmmuseum
– inzwischen mehrfach umgestaltet

8: Sachs-Keller (Sachsenhausen, Darmstädter Landstraße)

Disneyland im Keller

Eintrittskarte Sachs
Original Eintrittskarte
(mit freundlicher Genehmigung von Daniel Bode)

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Kein Wunder, dass mancher einer irgendwann zur Selbstjustiz griff und zumindest nach einem kostenlosen Zugang in die Vergnügungswelt suchte. Der war schnell gefunden, denn eine stählerne Notausgangstür an der Seite ließ sich problemlos für den Freundeskreis von innen öffnen, was dann auch schon die einzige Aufgabe der legal eingetretenen, sprich zahlenden Person war.

Wie gesagt: Keine schlechte Idee, denn man konnte witterungsunabhängig den für Sachsenhausen üblichen Kneipenbummel vollführen und etwas Vergleichbares gab es zu dieser Zeit in ganz Frankfurt nicht.

Heute ist an dieser Stelle definitiv nichts mehr vom Eingang in die Unterwelt des Sachsenhäuser Bergs zu sehen. Das gesamte Gelände wurde mit einem durchgestylten Bürokomplex überbaut.

Darmstädter Landstraße
(Höhe ehemalige Henninger Brauerei)

7: Tomate (Innenstadt, Fressgass' 8)

Und ewig lockt das Showbiz

Ich muss gestehen: Ich war da nie drin und trotzdem bin ich der unumstößlichen Überzeugung, dass dieses Etablissement trotz billigem Scheinfachwerk für das Selbstverständnis der Fressgass' (hiesiger Abschnitt für Auswärtige: 'Kalbächer Gasse') als Boulevard der Eitelkeiten einfach unverzichtbar war. Generationen von Haargel triefenden, solargebräunten Schnöseln zeigten hier ihren Stöckelschuh bewehrten Frisurmodellen (man erinnere sich an die aufwendige Verfugung des Kopsteinpflasters im Schaufensterbereich der Fressgass!) im Schlepptau die Stadt. Nirgendwo wurde das Ritual der Zurschaustellung vermeintlicher Attraktivität dermaßen schonungslos gepflegt wie in der 'Tomate'. Daher gab es auch nie einen Platz und ich kam nicht in die Versuchung, mich dahin zu setzen. Irgendwann hieß das Ding, offiziell ein italienisches Restaurant, über dessen Qualität ich hier gar nichts Negatives sagen möchte, dann auf einmal nur noch 'Tomato World' und klang nicht nur bescheuert sondern war auch nur von kurzer Dauer.

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Nur noch ein Haufen Pflastersteine

6: Blaubart (Innenstadt, Kaiserhofstraße 18)

... denn wir waren jung und hatten kein Geld

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Der tiefste und zugleich stickigste Weinkeller der Innenstadt erfreute sich in den 80er Jahren bei Heranwachsenden sehr großer Beliebtheit. Das lag an den fehlenden Alternativen, auf unkomplizierte Art und ohne jegliche Vorkenntnisse vergorenen Traubenmost in sich hinein zu schütten und darüber hinaus am revolutionären Selbstbedienungskonzept, welches gleich auf mehreren Wegen den Geldbeutel schonte: Zum einen entfiel ein Teil des kostspieligen Service-Personals, zum anderen auch die lästigen Nachfragen desselbigen, ob man denn bereit ist, über weitere Bestellungen nachzudenken. In einem klassischen deutschen Weinkeller hätten Erkundigungen des Kellners zur Beschaffenheit der Bestellung für hochnotpeinliches Schweigen gesorgt: "Wir nehmen Wein!" "Rot oder weiß?" "Äh ... beides ... aber 'ne große Flasche!" "Trocken? Fruchtig? Lieblich?" "Nee, schon gegen den Durst ..." "Ich bring Euch Cola-Fanta-Bier!" "Och nö!"

Heutige Ansicht mit 'Apfelwein Klaus'
und 'BB-Bar' dahinter

Das Lokal bestand aus einem weitläufigen großen Sandsteingewölbe und mehreren separaten Seitenräumen, welche über lange Gänge verbunden waren und sich aufgrund ihrer Abgelegenheit und den an Ketten aufgehängten Tischen zu allerlei jugendlichem Schabernack eigneten. Dagegen saß man im Hauptraum an langen rustikalen Massivholzbänken und -tischen eng und kommunikativ beieinander, was einen ohrenbetäubenden Lärmpegel zur Folge hatte. Die schweren gusseisernen Leuchter an der Decke und die zahllosen vollgetropften Flaschenkerzen auf den Tischen vervollständigten den Eindruck eines zünftigen Burggelages und hatten keine große Wirkung, denn es war stets butzedunkel.

Wer nicht auf Wein stand, hatte als Alternative zwei Sorten süffiges Altenmünster in der Bügelflasche zur Verfügung. Die Verpflegung mußte man ebenso an der Theke ordern: Es gab Steaks, Ofenkartoffeln und Salate in ordentlicher Qualität. Wenigstens die warmen Gerichte wurden dann aber an den Tisch gebracht.

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Steile Treppe zum Gewölbe des
heutigen 'Apfelwein-Klaus'

5: Funkadelic (Innenstadt, Brönnerstraße 11)

Probably the best Funk in town!

Und da sind sie schon, die Proteste: "Ei, des Funkadelic gibt's doch wieder?" Nee, gibt's nett mehr, hat schon wieder dicht gemacht. Das zwischenzeitliche Intermezzo in der Bleichstraße 46 dauerte nur drei Jahre und endete am 1. März 2008. Die Location war nicht weit entfernt vom klassischen Ort im Gewölbekeller in der Brönnerstraße. Dieser hatte schon etwas ganz Spezielles: Saumäßig eng zu Stoßzeiten, so dass man vorne im Dancefloor-Bereich schon ausgebremst wurde und zur Bar nur noch mit viel List, Tücke und erheblichem Zeitaufwand vordringen konnte. Dazwischen lagen statisch bedingt mehrere tragende Säulen und Bögen, welche jeweils ein Nadelöhr bildeten, durch das von beiden Seiten Leute mit und ohne Getränke durch mussten. Währenddessen waberten oben, von der mächtigen Entlüftung befördert, dichte, feuchtwarme Nebelschwaden aus Tabak, Schweiß, Alkohol und Parfüm aus dem schmalen Eingang, während dumpf die Bässe aus dem Keller hämmerten.

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Der Club entstand 1983 mitten in der Sturmphase der Hip-Hop- und Breakdance-Welle in Deutschland und blieb lange Zeit das Aushängeschild für Black Music aller Art. Unter dem schrägen Motto 'I got ants in my pants and I need to dance!' hatte Gründer DJ Kerim 15 Jahre lang die Luft zum Vibrieren gebracht. Hier gab es die ersten DJ Battles und Nachwuchs-Rap-Contests. Roey Marquis II. und Lady D., bis heute berühmteste weibliche DJ im Frankfurter Nachtleben, legten auf. Zahlreiche Größen aus der Szene verkehrten hier regelmäßig: Der berühmte Frank Fahrian, einst Produzent von Boney M. und später Milli Vanilli, deren 'Playbackkünstler' hier ebenso gesichtet wurden. Einmal erzählte mir die Bedienung an der Theke begeistert von dem legendären Abend, als einer der Größten überhaupt nach seinem Konzert mitsamt Security und Gefolge unangekündigt hier einfiel: The Symbol, TAFKAP oder einfach nur Prince, wie er auch heute wieder heißen darf.

Alte Location in der Brönnerstraße,
heute 'The Cave'

Charakteristisch am Funkadelic war stets der multikulturelle Charakter des Clubs: Neben einem starken Stamm von schwarzen GIs und deren meist deutschen Freundinnen kamen sämtliche eingewanderten und eingeborenen Rastalocken-Träger der Stadt, Schwarzafrikaner, Eritreer und natürlich alle die sonst noch auf Black Music in all ihren Facetten standen. Um alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, gab es spezielle Themenabende für Soul Classics, R&B, Dance Hall Reggae und House. Bemerkenswert war darüber hinaus die Umgänglichkeit der Gäste: Während in und vor anderen Clubs die Fetzen flogen, blieb es hier stets friedlich und an der Tür wurde niemand abgewiesen, wenn er sich benehmen konnte und der Keller nicht gerade überfüllt war.

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Letztes Quartier in der Bleichstraße,
heute 'friends', Restaurant und Gay-Club

4: Hard Rock Cafe (Innenstadt, Taubenstraße 11)

"Born in the USA!"

Eine der schillerndsten Institutionen der strahlenden 80er: Das Hard Rock Cafe im Parkhaus Börse und – man glaubt es kaum – nach London das zweitälteste der Welt! Allerdings gehörte es nie zur offiziellen Kette der Hard Rock Cafes, führte den Namen als sogenanntes 'Renegade'-Lokal noch aus der Gründung im Jahre 1978 und unterschied sich daher in Bezug auf Konzept und Einrichtung.

Es war der Laden, in dem stets bis zur Schmerzgrenze aufgedrehter Mainstream-Rock sich scheppernd im Raum brach und somit jegliche vernünftige Unterhaltung unmöglich machte: "'n Tonic Water und 'n Ginger Ale!" "Hä?" "'n Tonic Water und 'n Ginger Ale ..." "Nochmal ..." "Dann halt zwei Bier!" "Mit oder ohne Eiswürfel?". Im Hintergrund liefen ohne Sinn und Verstand stumm geschaltete Musikvideos, aber das war damals schwer angesagt in den Kneipen mit jugendlichem Publikum. Und das Angebot war so, wie es ein deutscher Durchschnittsteenie zu dieser Zeit für besonders amerikanisch hielt: 50er-Jahre-Straßenkreuzer an der Wand, erbarmungslos unbequeme Aluminiumstühle und -tische und das volle Spektrum der Burger-, Pizza-, Pasta- und Steakvariationen inklusive Pommes auf der Speisekarte. Letztere hatte teilweise richtig ordentliche Qualität und wer wollte, konnte sich aus der angeschlossenen Waikiki Bar die Cocktails bringen lassen.

Das Publikum an den Wochenenden war überdurchschnittlich jung und es hatte manchmal eher Schulklassencharakter, wenn 15 Halbwüchsige vor Batterien von Cola-Gläsern saßen und nicht im Traum daran dachten, auch nur einen Auftrag an die Küche zu schicken.

Irgendwann in den 90er Jahren wurde hier noch mal investiert und umgebaut: Rot gepolsterte Aluminiumbänke und -barhocker ließen echtes amerikanisches Diner-Feeling aufkommen und die neu gestylte Außenterrasse erweckte große Hoffnung, dass hier ein gastronomisches Urgestein den Sprung ins nächste Jahrtausend schaffen würde.

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Guinness statt Cocktail

3: Music-Hall (Bockenheim, Voltastraße 74-80)

The Sound of Frankfurt

MusicHall

Westlich der Emser Straße, hinter dem S-Bahndamm erstreckte sich einst das Industriegebiet Bockenheim. Hier, in einer der leerstehenden Fabrikhallen zwischen Backsteingebäuden auf der Voltastraße, wenige hundert Meter vor dem Opel-Rondell wurde 1985 die damals modernste Großraumdiskothek im Rhein-Main-Gebiet eröffnet. 'Nightlife jenseits der Schallmauer' war das Motto und wurde kompromisslos in die Tat umgesetzt. Eine große Tanzfläche in der Mitte, umgeben von ansteigenden Rängen wie in einem Amphitheater, eine für die damalige Zeit ultramoderne DJ-Kanzel mit der neuesten technologischen Errungenschaft: Professionelle CD-Player! Daneben die traditionellen Turntables, eine unfassbare Soundanlage, deren Bässe sich bis tief in die Eingeweide walzten und eine Bombast-Lasershow, die alles bis dahin gesehene in den Schatten stellte.

Zwei Bars und ein angeschlossenes Restaurant rundeten das totale multimediale Erlebnis ab. Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass die 'Hall' einen nicht unerheblichen Anteil an der Entwicklung und der erfolgreichen Verbreitung der elektronischen Musik in Deutschland, allen voran den unzähligen Facetten der Techno-Bewegung, hatte. Weithin bekannte Namen wie DJ Dag, Thorsten Fenslau (leider 1993 tödlich verunglückt), Mark Spoon († 2008) und Michael Münzing und natürlich Sven Väth sind untrennbar mit dieser Institution verbunden

Eintrittskarte vom 19.12.1986

Darüber hinaus gab es hier im Laufe der Jahre auch jede Menge Live-Acts aus allen Spektren der Musik. Von Snap!, Propaganda, Nina Hagen über M People bis zu A-ha, Philip Boa und den Ärzten. Sogar eine Filmpremiere habe ich 1986 hier erlebt: 'Absolut Beginners', ein mäßiges Musical mit David Bowie und der damals noch unbekannten Patsy Kensit. Ich kann mich noch erinnern, wie mir an diesem Abend ein langes Elend die Sicht auf die Leinwand versperrte. Später stellte sich heraus, dass ich hinter dem 'Albatros’ Michael Groß stand.

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Der heutige Pocket Park Mitte auf der Höhe Voltastraße 76-78,
dem ehemaligen Gelände der Music-Hall

Bilder von damals sind rar, denn es war lange vor dem Siegeszug der Digitalkameras, aber es gibt sie: http://www.music-hall.info/

Auch andere 'Veteranen' haben sich Gedanken gemacht und ihre Erinnerungen akribisch in einem Blog nieder geschrieben.

Und natürlich nicht zu vergessen der Sound of Frankfurt, erstklassig zusammengestellt in diesem Audio-Stream ... besser geht's nicht!

2: Bei Ajsa (Westend, Reuterweg 55)

Geselligkeit im Nebel

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'Balkanspezialitäten' – bei diesem Begriff wußte früher jeder, was er erwarten konnte: Einen Berg Pommes, einen Hügel Djuvecreis, gehackte rohe Zwiebeln und all das gekrönt von mehreren Lagen Fleisch unterschiedlichster Herkunft (vom Rind, vom Schwein, vom lustigen Bosniaken) und Konsistenz (Cevapcici, Pleskavica, am Stück). Oben drauf steckte dann meist noch das geplatzte Würstchen am Holzspieß.

Ajsa kam aus Bosnien und ihre Kneipe füllte im sonst elitären Westend und nur einen Steinwurf von der Alten Oper entfernt eine echte Marktlücke. Hier saßen gegen Mangelerscheinungen resistente, d. h. von elementaren Lebensgrundlagen wie Sauerstoff, Sonnenlicht und Vitaminen entwöhnte Zecher noch stoisch vor ihrem Pils am Tresen, warfen ihre letzten Geldstücke in merkwürdige Daddelautomaten und widmeten sich darüber hinaus dem Langzeitprojekt 'Lungenkrebs mit Sprechautomat' ... In der Tat waren die Ecken des kleinen quadratischen Raumes im dichten Dunstschleier nur noch zu erahnen und es stellt sich die Frage, was die frisch geduschten Anhänger des gepflegten Volleyballs dazu bewogen hatte, über Jahre hinweg all die stattlichen Erfolge der Leibesertüchtigung in dieser Räuberhöhle gleich wieder zu Nichte zu machen. An der Langzeituniversaldekoration aus Luftschlangen, Girlanden und bunten Lichterketten – passend für Weihnachten, Silvester, Karneval und die Geburtstage aller Stammgäste zusammen – lag es sicher nicht.

Wahrscheinlich kamen sie aus dem gleichen Grund wie so mancher geschockte Messe- oder Opernbesucher, nämlich aus Versehen oder mangels Alternative in dieser Gegend. Und sie blieben wegen des grundehrlichen Drumherums und der Herzlichkeit der Wirtin, denn Ajsa hatte eigentlich jeden lieb, besonders jung gebliebene schneidige Freizeitvolleyballer ("Meine Kinder! Meine gelbe Vogel!"). Außerdem trug sie ihren ganzen Schmuck und ihr gesamtes Make-up stets bei bzw. auf sich.

Selbst zu später Stunde, wenn das Küchenpersonal längst gegangen war, musste niemand hungern, denn belegte Brote und eingeleschtes Zeusch war immer verfügbar. Gegen Mitternacht folgte stets die obligatorische Runde 'Slivo', welcher bis ins Frühjahr hinein ausschließlich in erhitzter Form serviert wurde. Genauer gesagt sprechen wir von Julischka, dem fiesen Gemisch aus Slivovitz und Kruskovac. Warmes Bier, kalter Rauch, heißer Pflaumenbrand plus Birnenlikör – die Folgen kann sich jeder selbst ausmahlen ... Als wir unseren Teampokal auf einem der Hochregale platziert hatten, war klar, dass wir hier eine Weile bleiben würden.

Eines Tages konnte die gute Ajsa aufgrund von Wiederaufbaumaßnahmen in ihrer geschundenen Heimat nicht mehr vor Ort sein, der Service ließ deutlich nach, die Küche war mehr zu als auf, es wurde viel im Türrahmen krakeelt und am Tresen fielen des öfteren Gestalten rückwärts vom Hocker – vermutlich ist das unvermeidbar, wenn man ehemalige Stammgäste zu Wirten ernennt. Irgendwann, wir waren die Unfähigkeit des Zapfpersonals leid und hatten längst eine neue Bleibe gefunden, hieß der Laden dann 'Bei Biljana' und wurde eines der ersten Opfer des allgemeinen Rauchverbots in Gaststätten. Danach war der Rolladen unten.

Neulich kam ich mal wieder an dem nüchternen Gebäude mit dem trostlosen Ladenlokal vorbei und siehe da: Es tat sich was. Irgendwer hatte damit begonnen, die finsteren Butzenscheiben durch eine Klarverglasung zu ersetzen und innen wurde auch renoviert. Nur eine Woche später hatte hier ein nagelneuer Döner-Grillimbiss eröffnet.

1: Larry's Inn – Jack Swing (Sachsenhausen, Klappergass')

"Burn Motherf....., burn!"

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Eine der düstersten Kellerspelunken mitten auf der Klappergass', also quasi im Zentrum der Ebbelwoikultur, hatte es in sich: Vorwiegend schwarze GIs und weiße Frolleins frönten hier dem Hip Hop und R&B, während Inhaber Larry, einst selbst als Soldat nach Germany gekommen, für sie Bier zapfte und seine Frau Bruni draußen vor dem Vorhang saß, Tickets und Stempel verteilte. Mittwochs und Sonntags gab's sogar stündlich Freirunden, um den Laden an solchen Tagen einigermaßen zu beleben.

Brechend voll war es allerdings zu den Stoßzeiten am Wochenende und so manche der berüchtigten Massenschlägereien in Alt-Sachsenhausen zwischen weißen Amis aus den benachbarten Hardrock-Kneipen, türkischen Gangs und eben den schwarzen Boys nahm hier ihren Anfang, ihr Ende oder machte zumindest Zwischenstation, bis irgendwann die martialische MP auftauchte und alle Armeeangehörigen einsammelte, die nicht rechtzeitig das Weite suchten. Ich erinnere mich an eine Rauchbombe, wüste Verfolgungsjagden mit blutigen Nasen oben auf der Gasse und diverse Polizeirazzien wegen Drogenbesitz und Minderjährigen unter den Gästen.

Larry's out ...

Allerdings: Der kleine, schäbige Club mit seinen Sitzecken und Neonutensilien an der Wand hatte Charme, trotz seiner herunter gekommenen Einrichtung. Die Atmosphäre war stets familiär, jeder kannte jeden oder zumindest irgendeinen und manche DJ-Karriere in Frankfurt nahm hier ihren Anfang (Roey Marquis II.). Immer wieder amüsant auch die hemmungslose Anmache der Amis, wenn mal der männliche Part eines deutschen Paares ein dringendes Bedürfnis zu erledigen hatte: "Yo, boy is inside ..." "Girl is outside, hehe!" So und ähnlich wurde draußen die weitere abendliche Strategie abgestimmt, während man in den menschenunwürdigen sanitären Anlagen damit beschäftigt war, Wand- und Bodenkontakt zu vermeiden. "I'm waiting for my boyfriend ..." funktionierte in diesem Fall als Standardabfuhr überhaupt nicht, denn umgehend kam der Nachschlag: "I'm better!"

Nach dem Fall des eisernen Vorhangs und dem weitgehenden Abzug der Amerikaner aus dem Rhein-Main-Gebiet blieb ein Großteil der Klientel aus und bei Larry gingen relativ schnell die Lichter aus. Heute zeugt nur noch eine weiße, verrammelte Holztür von einstmals pulsierendem Nachtleben.




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